Vergiss‘ den langen Urlaub! So erholst du dich wirklich

Ferienzeiten sind gut und schön, aber wenn wir richtig entspannt, gesund und –  Überraschung – auch produktiv sein wollen, brauchen wir etwas anderes!


Nano-Urlaub statt Fernreise: Wie kleine Pausen deinen (Arbeits-)Alltag verändern

Eine Klarstellung zu Beginn: Urlaub ist großartig, daran besteht kein Zweifel (für mich zumindest). Aber wenn wir dauerhaft entspannt sein wollen, brauchen wir etwas anderes. Und das macht uns sogar produktiver und fördert unsere Gesundheit.

Die Rede ist vom Nano-Urlaub, herkömmlich auch “Pause” genannt. Das sind kleine Momente im Alltag, in denen wir von der Arbeit abschalten und durchatmen. Oder uns bewegen. Oder ein Gespräch führen. Gerade wenn es unser Ziel ist, gesund (und auch produktiv) zu bleiben, sind kurze Erholungsphasen wichtig. Man sollte sie sich gönnen!

Aber warum helfen uns Pausen, wenn sie doch wertvolle Arbeitszeit „stehlen“? Welche Arten von Nano-Urlaub gibt es überhaupt? Und wie kann ich auch meine Chefin davon überzeugen, dass kurze Entspannung zum Erfolg führt?


🧭 Aus der Philosophie: Re-create! Ein humanistischer Blick auf Produktivität

Allgemein gilt: Wer gut, erfolgreich und produktiv sein will, „gibt Gas”, rockt lange Arbeitstage und powert sich aus. Wirklich?

Die Philosophin Hannah Schragmann ist da anderer Meinung. In einem Podcast-Interview prägt sie einen humanistischen Produktivitätsbegriff: Produktiv ist nur, was reproduktiv ist. Soll heißen: Wirklich produktiv, also auch leistungsfähig, ist demnach nur jenes Verhalten, das eine Re-Produktion von Kräften bzw. Arbeitsleistungen zur Folge hat. Dies impliziert auch eine permanente (Re-)Produktion von Ressourcen, die nicht mit dem Erreichen eines Ziels abgeschlossen ist. Im Gegenteil: Je besser wir lernen, unsere Kräfte durch Pausen zu regenerieren, desto leistungsfähiger sind wir auch auf Dauer.

Man könnte auch sagen: Nur wer sich regelmäßig erholt, ist wirklich produktiv.

Nano-Pause statt Fernreise: so erholst du dich wirklich! | MEANING + More

Nano-Pause statt Fernreise: so erholst du dich wirklich! Image: Neslihan A.

Ich kenne das von mir selbst: Manchmal, wenn ich fest stecke, in einem Thema nicht weiterkomme und frustriert den Schreibtisch verlasse, löst sich etwas. Ein neuer Freiraum entsteht. Gerade der (räumliche) Abstand verschafft mir eine neue Perspektive, der gedankliche Block löst sich oft wie von selbst. Was braucht es also, um nicht in eine angespannte Überforderung zu geraten, sondern den Nano-Urlaub systematisch in den Alltag zu integrieren?


🔎 Aus der Wissenschaft: Hustle Culture entlarvt!

Alle wollen mehr, schneller und weiter – immer, typisch Hustle Culture! Die Idee, dass ausgerechnet Pausen, also Nano-Urlaube, uns stärker und leistungsfähiger machen sollen, klingt zu schön, um wahr zu sein! Oder? Fans der Forschung werden sich freuen, denn sie zeigt genau das Gegenteil. Und auch für alle anderen liefern die Studien stichhaltige Argumente, um die eigene Chefin zu überzeugen.

Gezielte Pausen können uns helfen, produktiver und kreativer zu werden. Drei Insights aus der Wissenschaft:

  1. Studienergebnisse zeigen: Ein Grund für die wertvolle Wirkung von Pausen ist, dass unser Gehirn regelmäßig Pausen braucht, um die aufgenommenen Informationen zu verarbeiten, zu verknüpfen und ins Langzeitgedächtnis zu übernehmen.
  2. In einer Metaanalyse konnten die Psychologen um Forscherin Albulescu zeigen, dass Pausen sogar der Schlüssel zur Produktivität sein können. In Experimenten konnte wiederholt gezeigt werden, dass sie die Vitalität steigern und die Müdigkeit reduzieren.
  3. Insbesondere kurze Pausen, auch Mikropausen genannt, zeigen diesen Effekt, den der Psychologe Alejandro Lleras erforscht hat: Schon kurze Ablenkungen von einer Aufgabe können die Fähigkeit, sich über einen längeren Zeitraum auf diese Aufgabe zu konzentrieren, drastisch verbessern.

Wenn wir unserem Gehirn (und damit uns insgesamt) etwas Gutes tun wollen, sollten wir also bewusst entspannen – auch und gerade am Arbeitsplatz. Das sollte Führungskräften zu denken geben, denn es ist genau das Gegenteil der weit verbreiteten Hustle Culture.

Nur wer Pausen macht, kann inspiriert weiterarbeiten. Und nur wer Zeit für Zweckloses hat, kann sich und seine Fähigkeiten auf Dauer einbringen. Denn Tätigsein macht vielleicht glücklich, aber nur Muße macht produktiv.

– Ariadne von Schirach, Glücksversuche

Doch wie genau machen wir jetzt Pause und welche Arten von Erholung gibt es überhaupt?


👉 Aus der Praxis: Pause ist gleich Pause? Weit gefehlt!

Vielleicht hattest du auch schon mal einen Moment, in dem du wirklich erschöpft warst, aber ein Nickerchen auf der Couch nichts gebracht hat? Dann war es wahrscheinlich die falsche Art von Erholung, die falsche Art von Pause.

So, wie wir von verschiedenen Dingen, Themen und Menschen gestresst werden können, brauchen wir auch unterschiedliche Arten von Pausen.

Die amerikanische Ärztin Saundra Dalton-Smith begann sich aufgrund eigener Erschöpfungssymptome intensiver mit dem Thema Erholung zu beschäftigen. Durch ihre persönlichen Erfahrungen und die Beobachtung von Menschen, denen sie in ihrer klinischen Praxis und Forschung begegnete, identifizierte sie sieben Arten der Erholung: körperliche, mentale, spirituelle, emotionale, sensorische, soziale und kreative Erholung. Ein Mangel an nur einer dieser Arten von Erholung kann sich negativ auf unsere Gesundheit, unsere Beziehungen und natürlich auch auf unsere Produktivität auswirken.

Sieben Wege zur Erholung: Welche Art von Pause brauchst du wirklich?

  1. Körperliche Erholung: Diese Art der Erholung umfasst sowohl passive Maßnahmen wie Schlaf und Nickerchen als auch aktive Maßnahmen wie Yoga, Stretching und Massage, die helfen, sich zu entspannen und zu regenerieren.
  2. Mentale Erholung: Diese Art der Erholung zielt darauf ab, den Geist zu beruhigen und zu entlasten. Techniken wie Meditation, Pausen während der Arbeit und Aktivitäten, die den Geist entspannen, sind hier hilfreich.
  3. Spirituelle Erholung: Diese Erholung bezieht sich auf das Bedürfnis, dem Leben einen Sinn zu geben. Aktivitäten wie Gebet, Meditation, ehrenamtliche Arbeit und die Verbundenheit mit einer größeren Gemeinschaft oder einem höheren Ziel tragen dazu bei.
  4. Emotionale Erholung: Diese Erholung umfasst das Erkennen und Ausdrücken von Emotionen sowie den Umgang mit emotionalem Stress. Ehrliche Gespräche, das Schreiben eines Tagebuchs und die Suche nach emotionaler Unterstützung sind hier unerlässlich.
  5. Sensorische Erholung: Diese Erholung reduziert die Überlastung der Sinne durch Licht, Lärm und Bildschirme. Maßnahmen wie die Vermeidung von Bildschirmzeit vor dem Schlafengehen und der Aufenthalt in ruhiger, dunkler Umgebung sind hier wichtig.
  6. Kreative Erholung: Diese Form der Erholung fördert die Wiederherstellung der Kreativität durch inspirierende und stimulierende Aktivitäten. Kunstbetrachtung, Naturerlebnisse und kreative Hobbys wie Malen oder Musizieren gehören dazu.
  7. Soziale Erholung: Diese Art der Erholung betont die Bedeutung erfüllender sozialer Interaktionen und Beziehungen. Es geht darum, Zeit mit Menschen zu verbringen, die einen unterstützen und positiv beeinflussen, und weniger mit Menschen, die einem die Energie rauben.

Je nach dem, welchen Belastungen wir im Berufsleben (oder in anderen Lebensbereichen) ausgesetzt sind, kann es sogar kontraproduktiv sein, das berühmte Power Nap zu machen – es kann im Einzelfall eher helfen, sich etwas zu bewegen oder ein Gespräch mit einer Kollegin oder einem guten Freund zu suchen.


Kurze Pausen für langfristigen Erfolg

In einer Welt, die uns ständig zur Höchstleistung antreibt, wirkt die Idee, durch Pausen produktiver zu werden, erst mal paradox. Doch die Wissenschaft gibt uns Recht: Kurze Erholungsmomente, die sogenannten Nano-Urlaube, sind entscheidend für unsere Leistungsfähigkeit und Kreativität. Sie ermöglichen es dir, deine Kräfte regelmäßig zu regenerieren und verhindern so langfristige Erschöpfung und Burnout.

Es ist an der Zeit, die Bedeutung von Pausen zu erkennen und sie aktiv in deinen Alltag einzubauen. Nur so kannst du dein volles Potenzial ausschöpfen und dabei gesund und ausgeglichen bleiben. Je nach dem, auf welche Art du dich gestresst oder erschöpft fühlst, kann eine andere Art von Erholung besonders wirksam sein.

Denk dran: Tätigsein macht glücklich, aber nur Muße macht wirklich produktiv.

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