Vom Analphabeten zum Superhelden

Wir alle haben Gefühle, jeden Tag und jede Minute – doch die meisten von uns haben nie gelernt, gut mit ihnen umzugehen.

Während wir in der Schule Mathe und Deutsch gelernt haben, sind wir in Gefühlsdingen oft Analphabeten geblieben. Dabei liegt gerade hier eine unglaubliche Kraft, die wir uns im Alltag zunutze machen können: unsere Superpower Emotionen!


Emotionen, die unsichtbare Superpower

Indem wir unsere Gefühle wahrnehmen und benennen können, lernen wir besser mit ihnen umzugehen. Ein besserer Zugang zu unseren Gefühlen führt zu mehr Ruhe, Klarheit und Balance im Alltag erlangen. Sie sind eine wahre Superpower. Wir selbst können zu Superhelden unseres Lebens werden.

Doch was hilft uns dabei, das emotionale ABC zu lernen? Und wie können wir unsere emotionalen Superkräfte ohne großen Zeitaufwand im Alltag trainieren? Die Wissenschaft gibt Antworten. Und meine praktische Arbeit mit Klienten gibt weitere Impulse.


Innere Stärke durch Gefühle: Wunsch oder Realität?

Wir alle erleben Gefühle, jeden Tag aufs Neue. Einerseits gibt es Gefühle wie Freude, Liebe oder auch Überraschung, die uns geradezu beflügeln können. Andererseits gibt es Gefühle wie Wut oder Trauer, die den meisten von uns unangenehm sind. Manchmal können sie uns sogar überwältigen und wir sind außer uns.

Ein besserer Umgang mit all diesen Gefühlen kann uns helfen, mehr Klarheit und Ruhe in unseren Alltag zu bringen. Außerdem können Emotionen und Gefühle, wenn wir es wagen, auf sie zu hören, eine gute Entscheidungshilfe im Leben sein. Sie sind also eine echte Superkraft. Doch wie können wir mit ihnen umgehen?

Ein altes Sprichwort sagt: „If you can name it, you can tame it“, was so viel bedeutet wie: „Wenn du es benennen kannst, kannst du es auch zähmen“.

Das klingt erstmal einfach. Gleichzeitig haben die wenigsten von uns wirklich gelernt, Gefühle zu erkennen, geschweige denn, sie zu benennen.

Die schlechte Nachricht: Wir sind sozusagen „emotionale Analphabeten“. Was uns fehlt, ist die sogenannte „emotionale Alphabetisierung“. Die gute Nachricht: Genau wie Rechnen, Lesen und Schreiben können wir auch lernen, mit Gefühlen und Emotionen besser umzugehen. Und so zu Superhelden werden.


🧭 Aus der Praxis: Gefühle erkennen und benennen

Gefühle zu begreifen ist nicht immer einfach: Zum einen fehlt uns oft das Vokabular, das merke ich oft in der Arbeit mit Klienten. Zum anderen ist es oft mit der Erkenntnis und dem Zulassen verbunden, z.B. einen bestimmten Schmerz zu empfinden.

Nur: Ohne die Gefühle zuzulassen, können wir sie nicht hinter uns lassen. Im Gegenteil: Je mehr wir versuchen, sie zu verdrängen, desto stärker kommen sie zurück.

Das ist die Ironie des Verdrängens. Es fühlt sich so an, als verleihe es Kontrolle, dabei verlieren wir sie dabei. Erstens bestimmen unsere Gefühle, wo es langgeht. Und zweitens tauchen verdrängte Gefühle unweigerlich in unbeabsichtigter Weise wieder auf. Diesen Prozess nennen Psychologen emotionales Überlaufen.

– Susan David, Emotional Agility (auch auf Deutsch erhältlich)


Gefühle im Fokus: Der Wasserball-Effekt

Mir kommt dabei oft das Bild eines Wasserballs in den Sinn, den man unter die Wasseroberfläche drücken will. Je mehr man es versucht, desto größer wird der Druck. Und desto mehr Aufmerksamkeit und Energie wird gebunden, die für andere Dinge nicht mehr zur Verfügung steht. Wenn wir aber den Wasserball (aka unsere Gefühle) an der Oberfläche schwimmen lassen, d.h. sie anerkennen, wird er bald auftauchen und wir haben den Blick (und die Ressourcen) frei für andere Themen.

Generell hilft es, sich bewusst zu machen:

  • Gefühle sind menschlich und gehören zu unserem Leben dazu.
  • Gefühle nicht zu bewerten ist ein Schlüssel zur Zufriedenheit.
  • Gefühle sind weder gut noch schlecht, sie sind einfach.

Aber wie können wir lernen, sie präzise auszudrücken, ohne ein ganzes Psychologiestudium zu absolvieren?

Rad der Emotionen (Wheel of Emotions) | MEANING + More

Rad der Emotionen (Wheel of Emotions) | MEANING + More

Gefühle im Griff: Das Rad unserer Emotionen

Als Grundlage für die Erforschung der eigenen Gefühle dient das “Rad der Gefühle”. Meine Arbeit mit Klienten zeigt, dass es den Blick weitet und inspiriert, die Vielfalt und den jeweiligen Detailgrad der emotionalen Empfindungen überhaupt zu sehen. Diesen Möglichkeitenraum kennen zu lernen bedeutet also, das ABC der Gefühle zu lernen.

Das Rad der Emotionen  ist in drei ineinander greifende Kreise gegliedert.

  • Im inneren Kreis befinden sich die Basisemotionen, von denen man annimmt, dass sie auf der ganzen Welt mehr oder weniger gleich sind (ob es sechs oder sieben sind und wie sie genau heißen, darüber ist sich die Wissenschaft bis heute nicht einig).
  • Daraus ergeben sich – im zweiten Kreis – spezifische Ausprägungen.
  • Im dritten Kreis finden sich schließlich sehr feine Unterscheidungen von Emotionen, die uns helfen, präzise Formulierungen für unsere Empfindungen zu finden.

Umgekehrt funktioniert es übrigens auch: So lässt sich das Gefühl, schüchtern zu sein, in der Regel auf Unsicherheit zurückführen, die wiederum der Basisemotion Angst zugeordnet wird. Die Supermacht der Emotionen hat aber noch weitere Facetten, insbesondere im Hinblick auf das sensible Wahrnehmen und Erkennen.


🔎 Aus der Wissenschaft: Die Sprache/n der Gefühle

Die konkrete Benennung unserer Gefühle hat noch weitere Vorteile. Sprache bedeutet hier auch Identifikation: “man fühlt sich alleine” — man oder Du? Außerdem gibt es einen Unterschied, ob ich sage „Ich bin wütend“ oder „Ich verspüre Wut“. Im ersten Fall identifizieren wir unser ganzes Sein mit dem Gefühl, während wir im zweiten Fall eine temporäre Empfindung beschreiben (und nicht einen Teil von uns selbst).

Interessant ist, dass unsere Sprache tatsächlich helfen kann, ein besseres Verständnis für unsere Empfindungen zu kriegen. Eine wissenschaftliche Studie mit 2.474 Sprachen (!) hat gezeigt: je mehr Sprachen man spricht, desto mehr Empfindungen kann man spüren. Dazu die Autoren der Studie:

Viele menschliche Sprachen verfügen über ein reichhaltiges Vokabular, das sich mit der Kommunikation von Emotionen befasst. Obwohl nicht alle Wörter für Emotionen gebräuchlich sind – das deutsche Wort Sehnsucht bezieht sich auf einen starken Wunsch nach einem anderen Leben und hat keine direkte Übersetzung ins Englische – gibt es viele Wörter, die ähnliche emotionale Zustände in den gesprochenen Sprachen der Welt zu bezeichnen scheinen. Übersetzungswörterbücher legen zum Beispiel nahe, dass das englische Wort love mit dem türkischen Wort sevgi und dem ungarischen Wort szerelem gleichgesetzt werden kann. (eigene Übersetzung)


👉 Drei Schritte zum emotionalen Superhelden

Wie jede Kraft muss auch die Superkraft trainiert werden. Aber das ist viel einfacher, als die meisten von uns denken. Hier sind drei Tipps, um ein echter emotionaler Superheld zu werden.

1. Bewusst machen: Es gibt keine guten oder schlechten Gefühle.

Sie sind alle Teil unserer Erfahrung und haben ihre Berechtigung. Manche erinnern uns an freudige Erlebnisse wie Geburtstage oder Schulabschlüsse, andere an Sehnsucht oder Bedauern.

2. Wahrnehmen, nicht werten.

Je besser es uns gelingt, unsere Gefühle nicht zu bewerten, desto mehr Gelassenheit und Ruhe werden wir im Alltag erfahren. Die gewonnene Energie können wir dann viel besser für andere Dinge nutzen. Hilfreich für die Wahrnehmung ist unser Körper: Ein sensibles Achten auf seine Reaktionen kann uns gute Anhaltspunkte für Entscheidungen geben. Nicht umsonst sprechen wir oft vom „Bauchgefühl“.

3. Gefühle erkennen und benennen.

Unsere vielseitige Sprache und die damit verbundene Beschreibung von Gefühlen hilft uns, mehr Klarheit zu gewinnen. Das Rad der Gefühle kann dabei eine gute Hilfe sein. Je öfter wir es ausprobieren, desto besser werden wir darin.

Übung macht den Superhelden!

Vergiss‘ den langen Urlaub! So erholst du dich wirklich

Ferienzeiten sind gut und schön, aber wenn wir richtig entspannt, gesund und –  Überraschung – auch produktiv sein wollen, brauchen wir etwas anderes!


Nano-Urlaub statt Fernreise: Wie kleine Pausen deinen (Arbeits-)Alltag verändern

Eine Klarstellung zu Beginn: Urlaub ist großartig, daran besteht kein Zweifel (für mich zumindest). Aber wenn wir dauerhaft entspannt sein wollen, brauchen wir etwas anderes. Und das macht uns sogar produktiver und fördert unsere Gesundheit.

Die Rede ist vom Nano-Urlaub, herkömmlich auch “Pause” genannt. Das sind kleine Momente im Alltag, in denen wir von der Arbeit abschalten und durchatmen. Oder uns bewegen. Oder ein Gespräch führen. Gerade wenn es unser Ziel ist, gesund (und auch produktiv) zu bleiben, sind kurze Erholungsphasen wichtig. Man sollte sie sich gönnen!

Aber warum helfen uns Pausen, wenn sie doch wertvolle Arbeitszeit „stehlen“? Welche Arten von Nano-Urlaub gibt es überhaupt? Und wie kann ich auch meine Chefin davon überzeugen, dass kurze Entspannung zum Erfolg führt?


🧭 Aus der Philosophie: Re-create! Ein humanistischer Blick auf Produktivität

Allgemein gilt: Wer gut, erfolgreich und produktiv sein will, „gibt Gas”, rockt lange Arbeitstage und powert sich aus. Wirklich?

Die Philosophin Hannah Schragmann ist da anderer Meinung. In einem Podcast-Interview prägt sie einen humanistischen Produktivitätsbegriff: Produktiv ist nur, was reproduktiv ist. Soll heißen: Wirklich produktiv, also auch leistungsfähig, ist demnach nur jenes Verhalten, das eine Re-Produktion von Kräften bzw. Arbeitsleistungen zur Folge hat. Dies impliziert auch eine permanente (Re-)Produktion von Ressourcen, die nicht mit dem Erreichen eines Ziels abgeschlossen ist. Im Gegenteil: Je besser wir lernen, unsere Kräfte durch Pausen zu regenerieren, desto leistungsfähiger sind wir auch auf Dauer.

Man könnte auch sagen: Nur wer sich regelmäßig erholt, ist wirklich produktiv.

Nano-Pause statt Fernreise: so erholst du dich wirklich! | MEANING + More

Nano-Pause statt Fernreise: so erholst du dich wirklich! Image: Neslihan A.

Ich kenne das von mir selbst: Manchmal, wenn ich fest stecke, in einem Thema nicht weiterkomme und frustriert den Schreibtisch verlasse, löst sich etwas. Ein neuer Freiraum entsteht. Gerade der (räumliche) Abstand verschafft mir eine neue Perspektive, der gedankliche Block löst sich oft wie von selbst. Was braucht es also, um nicht in eine angespannte Überforderung zu geraten, sondern den Nano-Urlaub systematisch in den Alltag zu integrieren?


🔎 Aus der Wissenschaft: Hustle Culture entlarvt!

Alle wollen mehr, schneller und weiter – immer, typisch Hustle Culture! Die Idee, dass ausgerechnet Pausen, also Nano-Urlaube, uns stärker und leistungsfähiger machen sollen, klingt zu schön, um wahr zu sein! Oder? Fans der Forschung werden sich freuen, denn sie zeigt genau das Gegenteil. Und auch für alle anderen liefern die Studien stichhaltige Argumente, um die eigene Chefin zu überzeugen.

Gezielte Pausen können uns helfen, produktiver und kreativer zu werden. Drei Insights aus der Wissenschaft:

  1. Studienergebnisse zeigen: Ein Grund für die wertvolle Wirkung von Pausen ist, dass unser Gehirn regelmäßig Pausen braucht, um die aufgenommenen Informationen zu verarbeiten, zu verknüpfen und ins Langzeitgedächtnis zu übernehmen.
  2. In einer Metaanalyse konnten die Psychologen um Forscherin Albulescu zeigen, dass Pausen sogar der Schlüssel zur Produktivität sein können. In Experimenten konnte wiederholt gezeigt werden, dass sie die Vitalität steigern und die Müdigkeit reduzieren.
  3. Insbesondere kurze Pausen, auch Mikropausen genannt, zeigen diesen Effekt, den der Psychologe Alejandro Lleras erforscht hat: Schon kurze Ablenkungen von einer Aufgabe können die Fähigkeit, sich über einen längeren Zeitraum auf diese Aufgabe zu konzentrieren, drastisch verbessern.

Wenn wir unserem Gehirn (und damit uns insgesamt) etwas Gutes tun wollen, sollten wir also bewusst entspannen – auch und gerade am Arbeitsplatz. Das sollte Führungskräften zu denken geben, denn es ist genau das Gegenteil der weit verbreiteten Hustle Culture.

Nur wer Pausen macht, kann inspiriert weiterarbeiten. Und nur wer Zeit für Zweckloses hat, kann sich und seine Fähigkeiten auf Dauer einbringen. Denn Tätigsein macht vielleicht glücklich, aber nur Muße macht produktiv.

– Ariadne von Schirach, Glücksversuche

Doch wie genau machen wir jetzt Pause und welche Arten von Erholung gibt es überhaupt?


👉 Aus der Praxis: Pause ist gleich Pause? Weit gefehlt!

Vielleicht hattest du auch schon mal einen Moment, in dem du wirklich erschöpft warst, aber ein Nickerchen auf der Couch nichts gebracht hat? Dann war es wahrscheinlich die falsche Art von Erholung, die falsche Art von Pause.

So, wie wir von verschiedenen Dingen, Themen und Menschen gestresst werden können, brauchen wir auch unterschiedliche Arten von Pausen.

Die amerikanische Ärztin Saundra Dalton-Smith begann sich aufgrund eigener Erschöpfungssymptome intensiver mit dem Thema Erholung zu beschäftigen. Durch ihre persönlichen Erfahrungen und die Beobachtung von Menschen, denen sie in ihrer klinischen Praxis und Forschung begegnete, identifizierte sie sieben Arten der Erholung: körperliche, mentale, spirituelle, emotionale, sensorische, soziale und kreative Erholung. Ein Mangel an nur einer dieser Arten von Erholung kann sich negativ auf unsere Gesundheit, unsere Beziehungen und natürlich auch auf unsere Produktivität auswirken.

Sieben Wege zur Erholung: Welche Art von Pause brauchst du wirklich?

  1. Körperliche Erholung: Diese Art der Erholung umfasst sowohl passive Maßnahmen wie Schlaf und Nickerchen als auch aktive Maßnahmen wie Yoga, Stretching und Massage, die helfen, sich zu entspannen und zu regenerieren.
  2. Mentale Erholung: Diese Art der Erholung zielt darauf ab, den Geist zu beruhigen und zu entlasten. Techniken wie Meditation, Pausen während der Arbeit und Aktivitäten, die den Geist entspannen, sind hier hilfreich.
  3. Spirituelle Erholung: Diese Erholung bezieht sich auf das Bedürfnis, dem Leben einen Sinn zu geben. Aktivitäten wie Gebet, Meditation, ehrenamtliche Arbeit und die Verbundenheit mit einer größeren Gemeinschaft oder einem höheren Ziel tragen dazu bei.
  4. Emotionale Erholung: Diese Erholung umfasst das Erkennen und Ausdrücken von Emotionen sowie den Umgang mit emotionalem Stress. Ehrliche Gespräche, das Schreiben eines Tagebuchs und die Suche nach emotionaler Unterstützung sind hier unerlässlich.
  5. Sensorische Erholung: Diese Erholung reduziert die Überlastung der Sinne durch Licht, Lärm und Bildschirme. Maßnahmen wie die Vermeidung von Bildschirmzeit vor dem Schlafengehen und der Aufenthalt in ruhiger, dunkler Umgebung sind hier wichtig.
  6. Kreative Erholung: Diese Form der Erholung fördert die Wiederherstellung der Kreativität durch inspirierende und stimulierende Aktivitäten. Kunstbetrachtung, Naturerlebnisse und kreative Hobbys wie Malen oder Musizieren gehören dazu.
  7. Soziale Erholung: Diese Art der Erholung betont die Bedeutung erfüllender sozialer Interaktionen und Beziehungen. Es geht darum, Zeit mit Menschen zu verbringen, die einen unterstützen und positiv beeinflussen, und weniger mit Menschen, die einem die Energie rauben.

Je nach dem, welchen Belastungen wir im Berufsleben (oder in anderen Lebensbereichen) ausgesetzt sind, kann es sogar kontraproduktiv sein, das berühmte Power Nap zu machen – es kann im Einzelfall eher helfen, sich etwas zu bewegen oder ein Gespräch mit einer Kollegin oder einem guten Freund zu suchen.


Kurze Pausen für langfristigen Erfolg

In einer Welt, die uns ständig zur Höchstleistung antreibt, wirkt die Idee, durch Pausen produktiver zu werden, erst mal paradox. Doch die Wissenschaft gibt uns Recht: Kurze Erholungsmomente, die sogenannten Nano-Urlaube, sind entscheidend für unsere Leistungsfähigkeit und Kreativität. Sie ermöglichen es dir, deine Kräfte regelmäßig zu regenerieren und verhindern so langfristige Erschöpfung und Burnout.

Es ist an der Zeit, die Bedeutung von Pausen zu erkennen und sie aktiv in deinen Alltag einzubauen. Nur so kannst du dein volles Potenzial ausschöpfen und dabei gesund und ausgeglichen bleiben. Je nach dem, auf welche Art du dich gestresst oder erschöpft fühlst, kann eine andere Art von Erholung besonders wirksam sein.

Denk dran: Tätigsein macht glücklich, aber nur Muße macht wirklich produktiv.

Leadership heute ist sinnlos – Welche Potenziale Führungskräfte oft genug übersehen

Das Gute im Sinn: Bedeutsamkeit bei der Arbeit

“Arbeit und Sinn – das hat nichts miteinander zu tun”, höre ich immer wieder von Führungskräften. Aber welche Rolle spielt das Thema Sinn im Zusammenhang mit Führung? Ich bin überzeugt: Sinn im Kontext von Führung spielt eine große Rolle. Und doch wird sie immer wieder unterschätzt.

Versteht man Sinn als die Verwirklichung von Werten oder als das, was das Leben lebenswert macht, dann darf er im Führungskontext nicht fehlen. Schließlich wollen die meisten von uns Sinn nicht nur privat, sondern (gerade) auch beruflich erleben. Ich behaupte sogar, dass gute Führung ohne Sinn gar nicht geht.

Doch was bedeutet Sinnorientierung im Arbeitsalltag ganz konkret? Welche Rahmenbedingungen können Führungspersonen schaffen, um das Sinnerleben von Mitarbeitenden zu fördern? Und welche Qualitäten sind dafür besonders wichtig?

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass große Themen wie Sinn und Werte auch Mut brauchen, um sie in Teams zu diskutieren. Ich weiß aber auch, dass es sich lohnt – wie in diesem Artikel nachzulesen ist.


Was bedeutet Führung vor dem Hintergrund der Sinnorientierung überhaupt?

Ausgehend vom Menschenbild Viktor Frankls ist es gerade im Zusammenhang mit Führung zunächst wichtig, den Menschen als entscheidendes und verantwortliches Wesen zu sehen. Das bedeutet, dass wir als Menschen grundsätzlich frei entscheiden und entsprechend handeln können. Natürlich haben wir nicht immer Einfluss auf das, was um uns herum geschieht. Aber Frankl hat immer wieder betont, dass wir selbst entscheiden können, wie wir auf Ereignisse reagieren.

Menschsein heißt bewusst-sein und verantwortlich-sein.

– Viktor Frankl

Sinnorientierung bedeutet auch, dem, was uns persönlich wertvoll und bedeutsam ist, besonder viel Raum zu geben. Gerade wenn das eigene Engagement dann zu etwas größerem Ganzen beiträgt, erleben wir tiefe Momente von Sinnerleben.

Für eine sinnorientierte Führung ist es deshalb zentral, den Mitarbeitenden ihre Verantwortung bewusst zu machen, ihnen Entscheidungsspielräume aufzuzeigen – und sie dann gewähren zu lassen. Sie erfahren eine Form von Selbstwirksamkeit, die sie wachsen und selbstbewusst werden lässt.

Dazu gehört auch ein klares Ja zu einer offenen Fehlerkultur, aus der alle lernen können. Und ein klares Nein zu kontrollierendem Mikromanagement. Sinnorientierte Führung heißt also zunächst, den Menschen als entscheidendes und verantwortliches Wesen anzuerkennen.

Darüber hinaus ist es wichtig, Bedeutsamkeit auf zwei Ebenen in den Blick zu nehmen. 

Einerseits geht es darum, im Dialog herauszukristallisieren, was dem Mitarbeitenden jeweils wichtig ist und welche Anknüpfungspunkte es im Arbeitsumfeld gibt. Andererseits ist es für die Führungskraft auch wichtig, die Bedeutung der jeweiligen Leistung für das Ganze klar zu kommunizieren, um das Sinnerleben des Mitarbeitenden zu fördern.


🔎 Aus der Wissenschaft: Welche Dimensionen prägen eine sinnvolle Arbeit?

Wissenschaftliche Erkenntnisse weisen in eine ähnliche Richtung: Sinnvolle Arbeit trägt zum persönlichen und beruflichen Wohlbefinden bei. Die meisten Menschen streben nach mehr als nur einem Job, um Geld zu verdienen. Vielmehr sehnen wir uns nach einer Aufgabe, die uns erfüllt und Sinn bietet.

In der Studie Measuring Meaningful Work: The Work and Meaning Inventory (WAMI) haben die Autoren um Michael F. Steger drei relevante Dimensionen von sinnvoller Arbeit identifiziert:

  1. Positive Bedeutsamkeit: Menschen erleben ihre Arbeit als subjektiv bedeutsam.
  2. Sinnerleben in der Arbeit: Die Arbeit trägt dazu bei, Sinn im Alltag zu erleben.
  3. Gemeinwohlorientierung: Die Arbeit geht über das eigene Wohlbefinden hinaus und wirkt sich positiv auf andere aus.

Die Wissenschaftler betonen zudem den Zusammenhang zwischen Fehlzeiten und einer sinnvollen Arbeit.

In unseren Daten stand die Fehlzeitenquote nicht im Zusammenhang damit, ob die Mitarbeiter mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden waren oder nicht. Sie stand auch nicht im Zusammenhang damit, wie sehr sie sich ihrem Unternehmen verpflichtet fühlten. Es gab nicht einmal einen Zusammenhang mit der Absicht, den Arbeitgeber zu verlassen. Stattdessen deuten unsere Analysen darauf hin, dass die Menschen sich von einer Arbeit abwenden, die für sie keinen Sinn hat.

– Michael F. Steger et al. (eigene Übersetzung)

Welche Bedeutung hat Sinn im Führungskontext? Eine große, und wird dennoch oft unterschätzt. Image: Anastasia Shuraeva.


🧭 Aus der Logotherapie: Wie kann Sinnorientierung im Führungskontext gelingen?

Viele mögen sich fragen (und ich mich oft), was Sinn mit Führung zu tun hat. Das ist verständlich, denn die sogenannte Logotherapie & Existenzanalyse nach Frankl wird auch als sinnzentrierte Psychotherapie bezeichnet und hat auf den ersten Blick nichts mit Führung zu tun.

Dennoch lassen sich viele Grundlagen, wie das oben erwähnte Menschenbild, sehr gut auf den Arbeitskontext übertragen. Dies zeigte auch Walter Böckmann, ein Schüler Frankls, der durch seinen Ausspruch und das gleichnamige Buch “Wer Leistung fordert, muss Sinn bieten” bekannt wurde. Er zeigt auf, dass Werte Möglichkeiten der Sinnerfüllung im beruflichen Kontext sind.

Wie aber können die logotherapeutischen Grundlagen rund um Sinn nun übertragen werden?

  1. Sinn ist immer individuell und kann nicht von außen „verordnet“, sondern nur selbst entdeckt (und schließlich umgesetzt) werden. Deshalb ist es für Führungskräfte wichtig, die Eigenverantwortung im Team zu fördern. Das bedeutet auch, Mitarbeitende im Rahmen ihrer Möglichkeiten einfach mal machen zu lassen, ihnen Entscheidungsfreiräume zu geben und sie zu ermutigen, ihre Gestaltungsspielräume selbstbewusst zu nutzen – auch mit dem Risiko, dass mal etwas daneben gehen kann. Aber wer hat nicht schon aus Fehlern gelernt?
  2. Sinn bezieht sich immer auf diesen einen, einzigartigen Moment. Das bedeutet nicht, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitenden nicht mit der Gesamtvision des Unternehmens abholen sollten. Es bedeutet aber, dass sie ebenso beweglich sein sollten (äußerlich und innerlich), sich auf vielleicht unerwartete Ereignisse einzustellen, die Situation neu zu bewerten und dann entsprechend zu handeln. Wer von uns hätte eine Pandemie und ihre (wirtschaftlichen und sozialen) Folgen vorhersehen können?
  3. Sinn wird vor allem dann verwirklicht, wenn man sich für etwas einsetzt, das über einen selbst hinausgeht. Für Führungskräfte ist es deshalb wichtig, den Mitarbeitenden immer wieder den größeren Zusammenhang zu erklären. Im Team oder in Einzelgesprächen können sie gemeinsam die Frage reflektieren: „Wofür ist es wichtig und relevant, dass du jetzt diesen einen Teil beiträgst?“

All diese Punkte gelten übrigens auch für die Führungskraft selbst, Stichwort Selbstführung: Was bewegt mich selbst und wofür will ich mich einsetzen? Welchen „Sinnanruf“ habe ich gerade, wie reagiere ich hier und jetzt darauf? Welche (neue) Entscheidung muss ich treffen, weil sich die (äußeren) Umstände verändert haben? Und auch: Welchen Beitrag leiste ich, der über mich und meine Person hinausgeht?

Wir können zusammenfassen: Sinnorientierte Führung bedeutet, Menschen als entscheidende und verantwortliche Akteure anzuerkennen und ihnen Räume für die eigene Sinnerfüllung zu eröffnen.


Für die Praxis: Welche Rahmenbedingungen können Führungskräfte schaffen, um Sinnerleben zu fördern?

Wenn es darum geht, Sinnorientierung in den Führungskontext zu integrieren, bedeutet dies auch, die Mitarbeitenden neben ihrer spezifischen Rolle vor allem als Menschen mit all ihren einzigartigen Seiten, Fähigkeiten und Potenzialen anzuerkennen.

In der Logotherapie gibt es den Grundsatz, dass jeder Mensch einzigartig und unverwechselbar ist. Und das ist ein Mensch auch, wenn er seine berufliche Tätigkeit ausübt. Dies gilt es nicht nur zu berücksichtigen, sondern daraus einen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen. Doch wie kann ein Mehrwert entstehen, wenn Sinnerleben etwas Individuelles ist?

Die zentrale Aufgabe für Führungskräfte lautet: Möglichkeiten schaffen, um Sinn zu verwirklichen!

Das bedeutet einerseits, von und mit dem Mitarbeitenden lernen, welche Werte zentral für ihn/sie sind. Was ist es, was diesen Menschen berührt, aufregt, begeistert oder frustriert? All diese Empfindungen können gute Hinweise auf die Werte dieser Person geben. Diese Werte und das damit verbundene agile Mindset können auch als „agiles Sein“, also als innere Haltung verstanden werden (siehe dazu auch Wege agiler Führung – mit Sinn).

Zum anderen ist es Aufgabe der Führungskraft, Räume zu schaffen, um diese zu realisieren. Dazu gehören zeitliche und auch finanzielle Ressourcen ebenso wie aktuelle und qualitativ hochwertige Tools. Es braucht also auch die äußere Komponente, das agile Tun“, um das Sinnerleben im Team zu steigern.

Doch wie kann es gelingen, mehr über die Werte der Mitarbeitenden zu erfahren, um sie zu fördern?

Zwei Qualitäten sind zentral: fragen und zuhören.

Ein Erkenntnisgewinn durch fragen geht schon auf Sokrates zurück. Wir kennen den sokratischen Dialog als „Gesprächsführung“, bei der der Lernende durch Fragen selbst zur Erkenntnis gelangt. Eine Faustregel: Führungskräfte sollten mehr Fragen stellen als Antworten geben.

“Empathie und aktives Zuhören” gehört zu den Top Ten der Fähigkeiten, die Führungskräfte des Weltwirtschaftsforums für die Zukunft als zentral erachten – und wird weithin unterschätzt.

Die Autorin Nancy Kline spricht von der Schaffung so genannter „Thinking Environments“, Denkumgebungen, in denen die Teammitglieder Zeit und Raum haben, ihre eigenen Gedanken und Ideen neu zu entwickeln. Es ist erstaunlich, welche Prozesse in Gang gesetzt werden können, wenn man jemandem wirklich Zeit und Raum gibt – indem man zuhört, um zu verstehen, und nicht, um zu reagieren.

Drei gute Fragen, mit denen Führungskräfte einen Dialog beginnen können (Nancy Kline, Time to Think; eigene Übersetzung):

  1. Was läuft gut in Ihrer Arbeit oder in Ihrem Leben?
  2. Welche Erfolge haben Sie erreicht, seit wir uns das letzte Mal getroffen haben?
  3. Was läuft Ihrer Meinung nach gut in unserem Projekt?

Leadership in Zukunft? Sinnvoll!

Sinn und Leadership passen besser zusammen, als man denkt. Sinnorientierung im Führungskontext bedeutet, den Menschen als verantwortlichen Akteur wahrzunehmen und ihm Räume zur individuellen Sinnverwirklichung zu eröffnen.

Für Führungskräfte ist es daher wichtig, im Dialog mit den Mitarbeitenden herauszufinden, welche Werte sie haben und welche Rolle diese im organisationalen Kontext spielen können. Hilfreich ist es auch, Agilität als innere und äußere Qualität zu verstehen (agile being und agile doing), denn das eine bedingt das andere. Und schließlich kann die Sinnhaftigkeit im Alltag vor allem dann gefördert werden, wenn der Beitrag zu einem größeren Ganzen in den Fokus gerückt wird.

Es liegt an uns, Leadership neu zu definieren und durch sinnorientierte Ansätze eine tiefere Verbindung und Erfüllung im Berufsleben zu schaffen – für uns selbst und unsere Teams!

Summer Sadness – Und was mir noch nie dabei geholfen hat

Ein Paradox, mindestens drei Erklärungen: von Japan bis Literatur

Es passiert mir jedes Mal. Mit Ansage. Ohne Halt. Spätestens am Tag vor der Abreise.

Manchmal mit einem grumpy mood, manchmal mit ein paar Tränen. Immer mit einem schweren Herzen: die Summer Sadness. So auch dieses Mal, auf dem Rückweg von Skandinavien, nach zwei Wochen Urlaub mit Midsommar-Magie.

Immer, wenn sich eine solche Auszeit dem Ende nähert, werde ich melancholisch. Ich bin traurig, dass die besondere Zeit vorbei ist.

Rationale Geister sagen, man solle sich doch lieber über das freuen, was man erlebt hat, anstatt ihm hinterherzutrauern. Stimmt vielleicht, klappt aber nur bedingt. Dieser Rat ist kognitiv nachvollziehbar, hat mir aber noch nie geholfen.

Dass ich nicht die einzige bin, der es so geht, wird an der Vielfalt der Begrifflichkeiten deutlich, die diese sonderbare Art der Traurigkeit beschreiben.

  • In Japan hat das Phänomen dieser Vergänglichkeit einen eigenen Begriff: mono no aware.
  • Der Autor Benedict Wells hat eine neue Wortkreation dafür geschaffen: Euphancholie.
  • Und die Amerikanerin Susan Cain hat dem Thema gar ein ganzes Buch gewidmet: Bittersweet.

Enjoy the sadness!


🔎 Aus der Praxis: japanische Wehmut

Was bedeutet mono no aware?

Mono no aware ist eine japanische Redewendung für das Bewusstsein der Unbeständigkeit oder Vergänglichkeit der Dinge.

Sie beschreibt einerseits eine vorübergehende sanfte Traurigkeit (oder Wehmut). Andererseits bezeichnet sie auch eine längere, tiefere sanfte Traurigkeit darüber, dass dieser Zustand die Realität des Lebens ist.

Es geht um die Vergänglichkeit der Schönheit, das leise, beschwingte, bittersüße Gefühl, Zeuge des schillernden Zirkus des Lebens gewesen zu sein – in dem Wissen, dass nichts davon von Dauer sein kann.

Die Ästhetik [von mono no aware] liegt in der leisen Freude, die unweigerlich mit der Traurigkeit verbunden ist: die Freude, dass wir die Schönheit eines Menschen oder einer Sache erleben durften, sei sie auch noch so kurzlebig gewesen. – Yasemin Besir, Japan Digest

Wann und wie zeigt sich mono no aware?

Ein besonders prägnantes Beispiel aus Japan ist die Zeit der Kirschblüte: wunderschön, in voller Pracht, Ausdruck der lebendigen Natur. Und gleichzeitig so vergänglich, eben weil die Natur in Kreisläufen existiert und bald alles verblüht sein wird.

Bei unserem Aufenthalt in Schweden war es das besondere Licht und die magische Atmosphäre der langen Tage rund um Midsommar. Das Erlebnis der Feierlichkeiten in “unserem” Dorf haben nur noch einen drauf – wohlwissend, dass jedes Lied und jeder Tanz einmalig in diesem Moment sein würden.


💬 On words

In dem bewegenden Coming-of-Age-Roman Hard Land wird das Gefühl zwischen Berührung, Hingabe einerseits und Wehmut und Trauer andererseits mit einer neuen Wortkreation beschrieben:

So was wie Euphancholie. Einerseits zerreißt’s dich vor Glück, gleichzeitig bist du schwermütig, weil du weißt, dass du was verlierst oder dieser Augenblick mal vorbei sein wird … Dass alles mal vorbei sein wird. Kind sein ist wie einen Ball hochwerfen, Erwachsenwerden ist, wenn er wieder herunterfällt. – Benedict Wells, Hard Land

Der Autor Benedict Wells erklärt seine Wortschöpfung so (und ja, es gibt tatsächlich eine Baseball-Cap mit der Aufschrift Euphancolie..):

Das Wort ist eine Mischung aus ›Euphorie‹ und ›Melancholie‹. Einerseits ist man fast zerrissen vor Glück, aber auch wehmütig, weil der Moment bald vorbeigehen wird; man vermisst ihn schon jetzt.

Generell habe ich es als Jugendlicher oft selbst erlebt, dass man selbst nach schlimmsten Erfahrungen plötzlich in ausgelassenes Gelächter ausbrechen konnte – und umgekehrt. Dieses schnelle, manchmal völlig unlogische Umschlagen der Emotionen hat mich immer fasziniert, alles geschah gleichzeitig. Oder um es mit einem 80s-Song zu sagen: Dancing With Tears In My Eyes.

Wer richtig eintauchen will, dem sei die gleichnamige Playlist Euphancholie von Benedict Wells empfohlen.


 


🔎 Aus der Forschung: Bittersweetness

Die amerikanische Autorin Susan Cain hat dem paradoxen Phänomen sogar ein ganzes Buch gewidmet: Bittersweet – How Sorrow And Longing Make Us Whole. Sie schreibt dazu:

If you’ve ever wondered why you like sad music …

If you find comfort or inspiration in a rainy day …

If you react intensely to music, art, nature, and beauty …

Then you probably identify with the bittersweet state of mind.

Wozu dient Bittersweetness überhaupt?

Susan Cain beschreibt die Frage nach dem bittersüßen erleben (jeweils eigene Übersetzung aus dem Englischen):

Philosophen nennen dies das „Paradoxon der Tragödie“ und rätseln seit Jahrhunderten darüber. Warum freuen wir uns manchmal über den Kummer, während wir den Rest der Zeit alles tun, um ihn zu vermeiden? Jetzt beschäftigen sich auch Psychologen und Neurowissenschaftler mit dieser Frage und haben verschiedene Theorien aufgestellt:

Eine Mondscheinsonate kann für Menschen, die einen Verlust oder eine Depression erleben, therapeutisch sein; sie kann uns helfen, negative Gefühle zu akzeptieren, anstatt sie zu ignorieren oder zu verdrängen; sie kann uns zeigen, dass wir mit unseren Sorgen nicht allein sind.

Wir mögen zum Beispiel keine Listen mit traurigen Wörtern oder Diashows mit traurigen Gesichtern (dies haben Forscher tatsächlich getestet). Was wir lieben, sind elegische Gedichte, nebelumhüllte Küstenstädte, Türme, die durch die Wolken ragen. Mit anderen Worten: Wir mögen Kunstformen, die unsere Sehnsucht nach Vereinigung und nach einer perfekteren und schöneren Welt ausdrücken.

Traurige Musik und melancholische Poesie – jetzt echt?

Kürzlich haben die Neurowissenschaftler Matthew Sachs und Antonio Damasio zusammen mit der Psychologin Assal Habibi die gesamte Forschungsliteratur über traurige Musik ausgewertet. In ihrem Artikel The Pleasures of Sad Music haben sie festgestellt, dass sehnsuchtsvolle Melodien unserem Körper helfen, eine Homöostase zu erreichen – einen Zustand, in dem unsere Emotionen und unsere Physiologie innerhalb eines optimalen Bereichs funktionieren.

Sie liefern Antworten auf die Frage, wie es sein kann, dass das menschliche Überleben von der Vermeidung (!) schmerzhafter Erfahrungen abhängt, der seelische Schmerz aber oft ausdrücklich in der Musik gesucht wird. Es scheint mindestens drei Erklärungen zu geben.

Traurigkeit, die durch Musik hervorgerufen wird, wird als angenehm empfunden:

  1. wenn sie als nicht bedrohlich wahrgenommen wird;
  2. wenn sie ästhetisch ansprechend ist; und
  3. wenn sie psychologische Vorteile wie Stimmungsregulierung und empathische Gefühle hervorruft, z. B. durch die Erinnerung an und das Nachdenken über vergangene Ereignisse.

Vielleicht ist das dein Call, doch mal in die euphancholische Playlist von Benedict Wells einzutauchen…?

In wie fern hat das Bittersüße auch etwas Wertvolles?

Schließlich erinnert uns (mich zumindest), dass dieser euphancholische Zustand auch sein Gutes hat:

Erinnerst du dich an die sprachlichen Ursprünge des Wortes Sehnsucht: Der Ort, an dem du leidest, ist der Ort, an dem du dich sorgst. Du leidest, weil du dich sorgst. Deshalb ist die beste Reaktion auf Schmerz, tiefer in die Sorge einzutauchen.

Es ist oft dort, wo wir den größten Schmerz empfinden, dass unsere Werte besonders sichtbar werden. Das, was uns viel bedeutet, wird verletzt.

In diesem Sinne: never stop yearning, never stop caring.

Der Elefant im Raum: er beginnt mit E und wird immer größer

Größer könnte er fast nicht sein, der Elefant im Raum. Einsamkeit is everywhere.

Es ist an der Zeit für uns alle, hinzuschauen. Auch die Bundesregierung wacht langsam auf, wenn es um die institutionelle Erforschung und Bekämpfung von Einsamkeit geht. Das ist auch gut so, denn Einsamkeit betrifft nicht nur einzelne wenige, sondern kann massive gesellschaftliche Auswirkungen haben. Stichwörter: Gesundheitsprävention, Gender (Loneliness) Gap, Stabilisierung der Demokratie.

Letzte Woche erschien das erste Einsamkeitsbarometer der Bundesregierung. Der im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und vom Kompetenznetz Einsamkeit erarbeitete Bericht beschreibt die Entwicklung von Einsamkeit in unserer Gesellschaft.

Nicht nur hier wird klar: In verschiedenen Gruppen stellt sich Einsamkeit unterschiedlich dar und hat viele Ursachen. Laut Aussage des Psychoanalytikers und Psychotherapeuten Udo Rauchfleisch können die Ursachen von Einsamkeit individuelle, gesellschaftliche und sogar globale Faktoren beinhalten. Ein Beispiel: verheiratete Menschen mit höherer Bildung und gutem Einkommen fühlen sich seltener einsam als alleinstehende Menschen mit wenig Bildung und wenig Einkommen.

Trotz der riesigen Dimension des Themas habe ich die wichtigsten Insights des Einsamkeitsbarometers zusammengefasst, durch wissenschaftliche Erkenntnisse angereichert und mit logotherapeutischen Impulsen verfeinert.

Einsamkeit ist zu groß, als dass wir wegschauen und -hören könnten.

Let’s read & lead!

 

IN A NUTSHELL

1. Einsamkeit ist ein weit verbreitetes und ernsthaftes gesellschaftliches Problem

Einsamkeit betrifft Menschen aller Altersgruppen und hat erhebliche gesundheitliche und gesellschaftliche Auswirkungen. Besonders gefährdete Gruppen sind ältere Menschen, junge Erwachsene, Arbeitslose, Alleinerziehende und Menschen mit Migrationshintergrund. Es ist wichtig, das Thema nicht zu ignorieren, sondern aktiv Maßnahmen zur Prävention und Unterstützung zu ergreifen.

2. Einsamkeit ist eine subjektive Erfahrung – der auch gesellschaftliche Ursachen zugrunde liegen

Einsamkeit ist nicht dasselbe wie allein zu sein; sie ist ein subjektives Gefühl des Mangels an ausreichenden sozialen Beziehungen. Diese Diskrepanz zwischen den gewünschten und tatsächlichen sozialen Kontakten kann sich sowohl auf die Quantität als auch die Qualität der Beziehungen beziehen. Verstehen wir Einsamkeit als subjektive Wahrnehmung, können wir besser nachvollziehen, warum Menschen sich einsam fühlen, selbst wenn sie nicht allein sind. Die Ursachen für dieses Gefühl sind jedoch vielfältig und können neben individuellen, auch gesellschaftliche und gar globale Faktoren beinhalten.

3. Soziale Bindungen und gesellschaftliche Teilhabe sind zentrale Schutzfaktoren

Menschen mit starken sozialen Netzwerken und guter Bildung sind weniger von Einsamkeit betroffen. Während der Pandemie haben sich soziale Bindungen als besonders wertvoll erwiesen. Es ist entscheidend, soziale Kontakte zu pflegen und gesellschaftliche Teilhabe zu fördern, um Einsamkeit entgegenzuwirken. Ein offenes Ohr und unsere ungeteilte Aufmerksamkeit für einen Menschen können ein erster Schritt sein.

🔎 Aus der Praxis: Einsamkeit in Deutschland über zwanzig Jahre (1992 bis 2021)

Was genau ist das Einsamkeitsbarometer 2024?

Das Einsamkeitsbarometer ist eine Untersuchung der Langzeitentwicklung der Einsamkeitsbelastungen innerhalb der Bevölkerung (18 Jahre und älter) in Deutschland auf Basis repräsentativer Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zwischen 1992 und 2021. Laut eigener Aussage soll der Einsamkeitsbarometer 2024:

  • “repräsentative Aussagen zur Entwicklung der Prävalenz von Einsamkeit in der erwachsenen deutschen Bevölkerung über die Zeit ermöglichen,
  • vulnerable Gruppen und Risikofaktoren identifizieren,
  • Veränderungen und Trends in den Einsamkeitsbelastungen unterschiedlicher Gruppen aufzeigen sowie
  • eine internationale Vergleichbarkeit der Daten im Zeitverlauf gewährleisten” (S. 9).

 

Was zeigen die Ergebnisse?

Der gesamte Einsamkeitsbarometer umfasst 80 Seiten (der statistische Anhang ist nicht mitgerechnet), ein paar der zentralen Ergebnisse sind folgende:

  1. Langzeitentwicklung von Einsamkeitsbelastungen: Nach einem starken Anstieg der Einsamkeit im ersten Pandemiejahr 2020 zeichnet sich für 2021 eine Rückkehr auf das Niveau vor der Pandemie ab. Dennoch bleiben die Einsamkeitsraten höher als im Jahr 2017. Besonders betroffen sind ältere Menschen über 75 Jahre und junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren. Frauen sind generell stärker von Einsamkeit betroffen als Männer, und dieser Unterschied hat sich durch die Pandemie noch verstärkt.
  2. Lebenslagen von Menschen mit erhöhter Einsamkeit: Einsamkeit schadet der physischen und psychischen Gesundheit. Besonders betroffen sind Arbeitslose, wobei sich die Unterschiede zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen während der Pandemie deutlich verringert haben. Auch Alleinerziehende, pflegende Angehörige und Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrung sind besonders belastet.
  3. Resilienzquellen gegen Einsamkeit: Teilhabe und soziale Bindungen: es gibt auch gute Nachrichten: Die Qualität der sozialen Beziehungen und die gesellschaftliche Teilhabe sind in Deutschland stabil und hoch. Besuche bei Familie und Freunden blieben auch während der Pandemie häufig. Auch die Bildung spielt eine wichtige Rolle: Höher gebildete Menschen sind weniger von Einsamkeit betroffen.
  4. Regionale und raumbezogene Aspekte von Einsamkeit: Einsamkeit unterscheidet sich kaum zwischen West- und Ostdeutschland oder zwischen Stadt- und Landbewohnern.
  5. Einsamkeit und Demokratie: Menschen, die sich einsam fühlen, haben weniger Vertrauen in politische Institutionen und interessieren sich weniger für Politik. Sie neigen auch eher zu Verschwörungstheorien und beteiligen sich weniger an Wahlen.

 

Und nun, was tun? Handlungsempfehlungen der Bundesregierung

Im Einsamkeitsbarometer wird Einsamkeit als “ressortübergreifende Herausforderung” betrachtet. Erste Handlungsimplikationen gehen in folgende Richtung (kleine Auswahl):

  • Berücksichtigung aller Altersgruppen: Einsamkeit betrifft Menschen jeden Alters. Maßnahmen sollten daher alle Altersgruppen berücksichtigen.
  • Genderpolitik: Einsamkeit ist auch eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit. Frauen sind häufiger betroffen, daher sind geschlechtersensible Maßnahmen notwendig.
  • Gesundheitsvorsorge: Soziale Bindungen sind wichtig für die Gesundheit. Einsamkeitsprävention sollte Teil der Gesundheitsvorsorge sein.
  • Armut und Arbeitsmarkt: Einsamkeit steht in engem Zusammenhang mit Armut. Maßnahmen gegen Einsamkeit sollten daher auch in die Arbeitsmarkt- und Armutspolitik integriert werden.
  • Care-Arbeit: Menschen, die Care-Arbeit leisten (z.B. Alleinerziehende, Pflegende), sind besonders betroffen. Hier ist eine Vernetzung von Familien-, Gleichstellungs- und Einsamkeitspolitik notwendig.
  • Bildung: Bildung ist ein wichtiger Schutzfaktor vor Einsamkeit. Aufklärungsarbeit sollte insbesondere auch Menschen mit niedrigem Bildungsniveau erreichen.

 

 

🔎 Aus der Forschung: Facetten und Folgen von Einsamkeit

Was ist Einsamkeit überhaupt – und was nicht?

In dem Einsamkeitsbarometer wird Einsamkeit in Anlehnung an Perlman & Peplau (1981) definiert als „unangenehme Erfahrung, bei der die eigenen sozialen Beziehungen entweder quantitativ oder qualitativ als unzureichend empfunden werden“ (S. 13).

Und weiter: “Es handelt sich hierbei also um eine subjektive Wahrnehmung der betroffenen Personen. Einsamkeit entsteht in der Diskrepanz zwischen den Erwartungen an soziale Beziehungen und den tatsächlich vorhandenen Beziehungen. Darüber hinaus kann sich der empfundene Mangel sowohl auf die Anzahl an sozialen Kontakten (Quantität) als auch auf deren Qualität beziehen“ (S. 13).

Wichtig ist der Hinweis von Rauchfleisch in seinem Buch Einsamkeit – Die Herausforderung unserer Zeit: „Einsamkeit ist zwar ein Gefühl, das wir individuell erleben und erleiden. Ihm liegen jedoch neben individuellen auch gesellschaftliche und sogar globale Ursachen zugrunde“ (S. 8).

Einsamkeit ist…

  • nicht: soziale Isolation. Einsamkeit abzugrenzen von sozialer Isolation: “Mit sozialer Isolation wird der objektive Zustand des Alleinseins beschrieben, während, wie oben dargestellt, Einsamkeit das subjektive Erleben betrifft. Die Erfassung von Einsamkeit basiert meist auf Selbstauskünften der betreffenden Personen, während die soziale Isolation als eher objektives Konstrukt leichter messbar ist” (Rauchfleisch, 2024, S. 11).
  • nicht: allein-Sein. „Ebenfalls ist zu unterscheiden zwischen „Allein-Sein“ und „Sicheinsam-Fühlen“. Im Alltagssprachgebrauch werden diese beiden Begriffe zwar häufig synonym verwendet, sie bezeichnen jedoch nicht dasselbe. Während Einsamkeit das beschriebene subjektive Gefühl betrifft, ist „Allein-Sein“ ein objektiv sichtbarer Zustand. Beides tritt zwar häufig zusammen auf, ist aber nicht notwendigerweise miteinander verknüpft“ (Rauchfleisch, 2024, S. 12).

 

Facetten von Einsamkeit

Einsamkeit kann individuelle, gesellschaftliche und globale Ursachen haben. Zudem ist es wertvoll, die unterschiedlichen Facette von Einsamkeit zu differenzieren. Luhmann & Bücker (2019) beschreiben drei Ausprägungen: emotionale, soziale und kollektive Einsamkeit (S. 5):

  • Emotionale Einsamkeit (auch: intime Einsamkeit), beschreibt einen Mangel einer sehr engen, intimen Beziehung, wie sie zum Beispiel in Paarbeziehungen zu finden ist.
  • Soziale Einsamkeit, auch relationale Einsamkeit genannt, bezieht sich auf denMangel von Freundschaften und weiteren persönlichen Beziehungen.
  • Kollektive Einsamkeit umfasst ein Gefühl der fehlenden Zugehörigkeit zu einer größeren Gemeinschaft oder zur Gesellschaft.

 

 

Folgen von Einsamkeit

Lange Zeit ging man davon aus, dass Einsamkeitsgefühle psychisch belastend sind. Dass aber auch körperliche Erkrankungen die Folge sein können, wurde nicht beachtet. Bahnbrechend war in dieser Hinsicht eine Veröffentlichung von House et al. (1988), die in der renommierten Zeitschrift Science über die Ergebnisse ihrer Studie Social Relationships and Health berichteten. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass länger andauernde Einsamkeit zu einem signifikanten Anstieg von Morbidität und Mortalität führt.

Kurz gesagt: Wer einsam ist, wird häufiger krank und stirbt deutlich früher.

Psychische und körperliche Erkrankungen gehen hierbei oft Hand in Hand. Die folgende Auswahl von Aspekten in Anlehnung an Rauchfleisch ist ein Versuch, die Folgen besser greifen zu können.

  • Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Suchtentwicklung: Gerade bei Depressionen besteht häufig die Problematik, dass die Depression nicht nur eine Folge der erlebten Einsamkeit ist, sondern ihrerseits oft zu einem weiteren Rückzug aus sozialen Kontakten führt. Ähnliches gilt in vielen Fällen für Suchtkranke.
  • Bedrückende Empfindungen wie Scham- und Schuldgefühle, Leeregefühle, Angst vor Nähe: Gerade Scham gilt als eines der unangenehmsten Gefühle, das durch die Erfahrung der eigenen Unzulänglichkeit gekennzeichnet ist. “Während es bei der Scham um Selbstablehnung und eine zentrale Infragestellung der eigenen Person geht, entstehen Schuldgefühle, wenn eine Person die von außen oder von sich selbst gesetzten Ziele und Erwartungen nicht erfüllt” (S. 109). Auf den Punkt gebracht: Schuld bedeutet “Ich habe etwas falsch gemacht”, während Scham bedeutet “Ich bin selbst falsch”.
  • Verheimlichungsstress (“minority stress”): In Anlehnung Mayer (2003) wird diese Art von Stress von Menschen erlebt, die sich schämen, einer Gruppe anzugehören, die von ihrem Umfeld abgelehnt wird, wie z.B. von Armut betroffene oder homosexuelle Menschen. Sie versuchen daher, Merkmale, die darauf hinweisen könnten, zu verbergen.
  • Gesellschaftliche Auswirkungen wie die forcierte Suche nach Kontakten: Auch wenn es von außen als vermeintlich gute Strategie wahrgenommen wird, kann in einem solchen Fall von Hyperaktivität nicht von einem konstruktiven Versuch gesprochen werden, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und zu pflegen. Vielmehr handelt es sich um einen erzwungenen Weg, um jeden Preis (irgendeinen) Kontakt zu anderen Menschen herzustellen.
  • Körperliche Erkrankungen: In einem Bericht vom Institut der Deutschen Wirtschaft (2019) werden die gesundheitlichen Folgen basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen klar benannt: “Neben den direkten negativen Gefühlen und dem persönlichen Leid für die Betroffenen, erhöht sich durch Einsamkeit das Risiko gesundheitlicher Nachteile: Einsamkeit führt in einem vergleichbaren Ausmaß wie Tabakkonsum zu früherer Mortalität. Sie steht in Zusammenhang mit einem höheren Risiko von Inaktivität, Rauchen oder risikobehaftetem Verhalten, Herzinfarkten und Schlaganfällen sowie einer höheren Anfälligkeit für Depressionen. Einsame Menschen leiden häufiger unter einem geringen Selbstwertgefühl, Schlafproblemen sowie Stress und haben ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken“ (S. 3; ausführliche Quellenangaben im Originaltext).

Zudem können sich die Folgen von Einsamkeit auch finanziell äußerst negativ bemerkbar machen, wie Bücker (2021) beschreibt: “Während vorübergehende Einsamkeit durchaus als normale menschliche Erfahrung beschrieben werden kann, hat chronische Einsamkeit gravierende negative Konsequenzen für die Gesundheit und die Lebenserwartung. Fulton und Jupp (2015) schätzten die Gesamtkosten für chronische Einsamkeit mittelfristig (15 Jahre) auf etwa £12.000 pro Person im Vergleich zu Personen, die nicht einsam sind. Etwa 40% der geschätzten Kosten traten innerhalb der ersten 5 Jahren in der chronischen Einsamkeit auf und etwa 20% der geschätzten Kosten waren mit der stationären Pflege verbunden” (S. 5).

 

 

🚀 Meaning Matters: eine Einordnung der Erkenntnisse zu Einsamkeit

1. Einsamkeit betrifft uns alle!

Selbst wenn wir zu den Glücklichen gehören, die nicht einsam sind: die Folgen von Einsamkeit gehen uns alle etwas an. Gesellschaftliche Spannungen wie die Schere zwischen Arm und Reich, politische Auswirkungen wie die Verbreitung von Verschwörungstheorien oder die erhöhten Belastungen für das Gesundheitssystem betreffen uns alle. Es ist an der Zeit zu handeln!

Und wenn wir zu denen gehören, die sich einsam fühlen? Dann sind wir in guter Gesellschaft. Allein die Erkenntnis, dass wir nicht die einzigen sind, die sich einsam fühlen, kann helfen, etwas besser mit der Situation klarzukommen. Möglicherweise gibt es eine Person, der wir uns anvertrauen können oder ein Projekt, bei dem wir uns engagieren können.

2. Die Chancen von Einsamkeit

Frankl betonte immer wieder, dass Menschen selbst in den schwierigsten Situationen einen tieferen Sinn finden können. Einsamkeit können wir als Chance sehen, um uns mit den eigenen Werten und Zielen auseinanderzusetzen. Einsamkeit kann so auch in eine Phase der Selbstreflexion und des Wachstums verwandelt werden. Zudem lehrte Frankl, dass jeder Mensch die Freiheit hat, seine Haltung zu den Gegebenheiten des Lebens zu wählen. Auch wenn Einsamkeit oft als äußerer Zustand empfunden wird, haben wir die Freiheit, unsere Einstellung dazu zu wählen. Wir können uns entscheiden, die Einsamkeit als vorübergehende Phase zu akzeptieren und bewusst nach Wegen zu suchen, um daraus hervorzukommen.

3. Die verborgene Seite von Einsamkeit

Über lange Zeit wurde Einsamkeit vor allem in der Philosophie diskutiert, hier vor allem als schöpferischer Zustand, von dem auch viele Künstler berichtet haben. Diese Auffassung wurde von dem Interesse der Soziologen und Psychologen im 20. Jahrhundert durch ein eher negativ geprägtes Bild abgelöst. Doch kann Einsamkeit auch etwas Gutes haben? Die Auszeit allein in der Natur, der ruhige Tag zuhause (auch mal ohne Partner und Kinder), die Stille während eines Spaziergangs allein, …? Damit sind wir beim Stichwort: für mich sind diese Aspekte Fälle von “alleinsein”, also frei gewählt — und damit abzugrenzen von Einsamkeit. Selbst in die Stille zu gehen, sich bewusst zurückzuziehen, kann unglaublich heilsam sein und kreative Prozesse fördern, aber eben nur dann, wenn wir es freiwillig tun.

 

What to do? Erste Ideen

Individuelle Ansätze

  • Einsamkeit akzeptieren: If you can feel it, you can heal it. So paradox es klingt und so schmerzhaft es auch sein mag: das Gefühl der Einsamkeit anzunehmen, ist der erste Schritt, um besser damit umzugehen. Nur so können wir anfangen, nach Wegen zur Lösung zu finden.
  • Sich “common humanity” bewusst machen: Wie Kristin Neff im Zusammenhang mit Selbstmitgefühl immer wieder zeigt, ist viel gewonnen, wenn wir uns bewusst machen, dass wir nicht die Einzigen sind, die solche Gefühle haben. Im Gegenteil: Es macht uns gerade zu Menschen und verbindet uns mit anderen.

Zwischenmenschliche Ansätze

  • Präsent sein und zuhören: Wann immer es möglich ist: Schenke jemand anderem etwas von deiner Zeit und deiner Aufmerksamkeit. Das kann Wunder wirken. Hier setzt auch die Dyadenpraxis auf Basis der Forschung von Prof. Tania Singer an: nachweislich kann das 10-wöchige Programm, in dem Teilnehmende jeden Tag 15 min. bewusstes Mitteilen und Zuhören üben, dazu führen, dass Gefühle von Einsamkeit und Angst reduziert, Resilienz hingegen gesteigert wird.
  • Sich sozial engagieren: gemeinsam mit anderen für eine Sache einzutreten oder Projekte voranzutreiben, kann das Gefühl der Einsamkeit schnell verringern. Zudem hilft es, sich über ein Thema zu vernetzen. Über Ehrenamtsplattformen und Apps können Projekte auch stadtspezifisch gesucht und gefunden werden.

Gesellschaftliche Ansätze

  • Förderung von Forschung: Weitere Unterstützung zur Förderung von wissenschaftlichen Erkenntnissen rund um Einsamkeit. Dazu gehört auch die regelmäßige Fortführung des Einsamkeitsbarometers zur Erfassung des aktuellen Stands und der langzeitlichen Entwicklung.
  • Aktionswoche Gemeinsam aus der Einsamkeit: Vom 17. bis 23. Juni 2024 findet die Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ statt. Dieses Jahr findet bereits die zweite Aktionswoche dieser Art statt. Sie soll für das Thema Einsamkeit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sensibilisieren und Unterstützungsangebote in ganz Deutschland sichtbar machen. In verschiedenen Formaten werden Begegnungsorte geschaffen und sichtbar gemacht. Damit soll das Thema der Einsamkeit enttabuisiert, Menschen zusammengebracht und ihnen Unterstützungsangebote aufgezeigt werden.

McKinsey und spirituelle Gesundheit? Ja, eine große Studie – aber das haben sie nicht berücksichtigt

Ich werde sehr hellhörig, wenn sich krasse Gegensätze im Arbeitskontext auftun, so wie die News einer internationalen Unternehmensberatung mit dem Fokus auf spiritueller Gesundheit.

Ich meine, McKinsey und Sinn im Leben… echt jetzt?

Und dann werde ich neugierig, weil ich es selbst liebe, Ungewöhnliches zu verbinden (nicht umsonst halte ich zum wiederholten Mal mein Seminar zu Werte- und Sinnorientierung in der Wirtschafts- und Arbeitswelt). Vielleicht stimme ich nicht mit allem überein, aber in meistens gibt es in diesen Spannungsfeldern etwas zu entdecken.

So auch in diesem Fall, wenn McKinsey plötzlich über mentale Gesundheit und Sinn im Leben berichtet (siehe 🔎 Aus der Praxis). Als Logotherapeutin und promovierte Betriebswirtin kann und will ich das so nicht stehen lassen und biete eine Einordnung (siehe 🚀 Meaning Matters) mit Rückbezug auf moderne Wissenschaften, eigene Erfahrungen und die Logotheapie mit Viktor Frankls Gedankengut.

Let’s read & lead!

 

IN A NUTSHELL

1. McKinsey untersucht spirituelle Gesundheit: nur eine neue Perspektive auf ein altes Thema?

McKinsey hat eine umfassende Studie zur spirituellen Gesundheit veröffentlicht, basierend auf Daten von über 41.000 Menschen aus 26 Ländern. Die Generation Z (13-24 Jahre) steht im besonderen Fokus und ist überdurchschnittlich stark vertreten. Die Ergebnisse zeigen, dass spirituelle Gesundheit – verstanden als Sinn im Leben und Verbundenheit mit etwas Größerem – eng mit mentaler, sozialer und körperlicher Gesundheit verknüpft ist.

2. Die Erkenntnisse sind kongruent mit anderen Forschungsergebnissen: Sinnerleben und Gesundheit sind eng miteinander verknüpft

Wusstest du, dass ein starkes Gefühl von Sinnhaftigkeit nicht nur dein geistiges Wohlbefinden, sondern auch deine körperliche Gesundheit fördern kann? Studien zeigen, dass Menschen, die Sinn im Leben erfahren, körperlich aktiver sind, weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben und sogar länger leben. Sinn ist also kein esoterischer Luxus, sondern essenziell für deine Gesundheit.

3. Generation Z und die Suche nach Sinn: Herausforderungen und Chancen

Die Gen Z zeigt laut der McKinsey-Studie einen signifikanten Mangel an spiritueller, mentaler und sozialer Gesundheit. Aus meiner Sicht kein Zufall: in jungen Jahren ist es oft schwer, einen klaren Lebenssinn zu finden. Doch gerade hier liegt eine große Chance: Unternehmen und andere Stakeholder können Räume schaffen, in denen (junge) Menschen reflektieren und ihren eigenen Weg zu einem sinnvollen Leben finden können.

🔎 Aus der Praxis: McKinsey’s Studie zu spiritueller Gesundheit

Worum geht’s hier eigentlich?

McKinsey hat diese Woche einen Artikel mit Ergebnissen einer Studie zum Thema spirituelle Gesundheit veröffentlicht. Der Titel: “Auf der Suche nach sich selbst und etwas Größerem: Eine Erkundung der spirituellen Gesundheit” (engl. In search of self and something bigger: A spiritual health exploration).

  • Die Studie wurde von der not-for-profit Organisation McKinsey Health Institute durchgeführt (ich wusste nicht, dass es die überhaupt gibt)
  • Die Daten wurden im Jahr 2022 mit 41.060 Probanden erhoben und sind “self-reported” (die Leute füllen also einen Fragebogen aus)
  • Die Teilnehmenden kommen aus 26 verschiedenen Ländern
  • Ein Teil der Bevölkerung, nämlich die Gen Z (Personen zwischen 13 und 24 Jahren), sind bewusst überrepräsentiert mit knapp 17.000 Personen

Rein statistisch gesehen haben wir also einen ganz guten Querschnitt durch verschiedene Nationalitäten und Altersgruppen mit einem Fokus auf der Gen Z. Allerdings bedeutet “self-reported” auch, dass es keine weiteren Messpunkte gab, also bspw. Beobachtungen oder physische Indikatoren.

So viel zum Set-Up.

 

 

Was kam dabei ‘raus?

Die Ergebnisse der Studie werden in dem Artikel so zusammengefasst:

  1. Spirituelle Gesundheit bedeutet, einen Sinn im Leben zu haben, ein Gefühl der Verbundenheit mit etwas, das größer ist als man selbst, und eine Idee von Sinn im Leben. Die Suche nach diesem Sinn ist mit einer starken mentalen, sozialen und körperlichen Gesundheit verbunden (Hinweis: insgesamt wurden diese vier Komponenten von Gesundheit in der Studie erhoben).
  2. Obwohl die Bewertung der spirituellen Gesundheit je nach Alter und Standort sehr unterschiedlich ausfällt, ergab die Studie, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten über alle Generationen hinweg angab, spirituelle Gesundheit sei für sie „etwas“ bis „extrem“ wichtig.
  3. Soziale, öffentliche und private Stakeholder können Wege finden, um Menschen dabei zu helfen, einen Raum für Reflexion und Austausch über ihr Leben zu finden. Dazu gehören auch Arbeitgebende, die den Menschen helfen wollen, einen Sinn in ihrer Arbeit zu finden.

 

Weitere Aspekte der Studie

“Spirituelle Gesundheit” ist für die meistens von uns noch schwer zu greifen und nicht leicht zu definieren. Es geht um eine Komponente, die über unser rein physisches und psychisches Wohlbefinden hinausgeht. Klar ist: Gesundheit ist mehr als das reibungslose Funktionieren unseres Körpers.

Wichtig ist hierbei, dass es nicht zwingend um das Praktizieren von religiösen Ritualen oder die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft geht, wenngleich dies ein Teil sein kann. In dem Artikel von McKinsey steht, dass spirituelle Gesundheit “nicht unbedingt mit religiösen Überzeugungen verbunden, sondern eher mit dem Sinn des eigenen Lebens, einem umfassenden Gefühl der Verbundenheit mit etwas, das größer ist als man selbst, und einem starken Gefühl der Zielstrebigkeit“.

Es scheint, dass die Gen Z (vor allem im Vergleich zu den anderen Generationen) einen großen Mangel an mentaler, sozialer und – eben auch – spiritueller Gesundheit hat. Ob das ein Zufall ist? Gleichzeitig gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen dem Erleben von “spiritueller Gesundheit” und anderen Aspekten von Gesundheit.

Will heißen: Menschen, die Sinn im Leben und ein Gefühl von Verbundenheit zu etwas Größerem als sie selbst erfahren (so die Definition von spiritueller Gesundheit), sind in Summe auch gesünder.

 

Was machen wir mit diesen Erkenntnissen?

Als Logotherapeutin und promovierte Betriebswirtin, die sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema Werte und Sinn auseinandersetzt, kann ich so das nicht stehenlassen. Gerade die moderne Wissenschaft, ebenso wie Experten mit interdisziplinärem Hintergrund und auch die Logotherapie selbst helfen, diese Erkenntnisse besser und umfassender zu verankern. Deswegen die folgende Einordnung.

 

 

🚀 Meaning Matters: eine Einordnung der Studienergebnisse zu spiritueller Gesundheit

 

1. Schon Viktor Frankl wusste: die Erfahrung von Sinn und Verbundenheit fördert unsere Gesundheit.

Viktor Frankl sprach oft davon, dass eine Sinn-Leere uns Menschen krank macht (er nannte dieses Erleben auch ein “existentielles Vakuum”). Im Gegensatz dazu ist das in der Studie beschrieben Gefühl von Verbundenheit zu etwas Größerem als einem selbst genau das, was den Menschen ausmacht.

  • Selbsttranszendenz, wie von Frankl beschrieben, bezieht sich darauf, dass das Menschsein immer über sich selbst hinaus auf etwas verweist, das nicht wieder es selbst ist – sei es ein Sinn, den man verwirklicht oder die Hingabe an eine Sache oder eine andere Person.
  • Die Logotherapie betont die Selbsttranszendenz als einen wesentlichen Bestandteil der menschlichen Existenz und hebt hervor, dass wahre Erfüllung nur dann erreicht werden kann, wenn man sich über die eigenen Bedürfnisse und Interessen hinaus für etwas Größeres einsetzt.
  • Diesem Gedanken folgend ist es nur logisch, dass (auch spirituelle) Gesundheit mit dem Gefühl von Verbundenheit oder gar Selbsttranszendenz zu tun hat.

Die Erkenntnis aus der Studie, dass die Erfahrung von Sinn im Leben zu erhöhter Gesundheit beiträgt, ist also nicht neu.

Bestätigung finden wir auch von dem Medizinprofessor Tobias Esch in seinem Buch “Wofür stehen Sie morgens auf?”. Er exploriert neben der körperlichen, psychischen und sozialeben Ebene von Gesundheit auch eine vierte Ebende, nämlich die von Bedeutsamkeit und Sinn:

“In der Folge schlug ich schließlich vor, dem allgemeinen Gesundheitsverständnis, also der bisher dreidimensionalen Definition von Gesundheit, jene vierte Dimension auch formal hinzuzufügen: die spirito-kulturelle Dimension, hier zusammengefasst als die subjektive oder Bedeutungsdimension. Mit einem Augenzwinkern beschreibe ich die Gesundheit nunmehr als bio-psycho-sozio-spirito-kulturell. Unsere Forschungen bestätigen mittlerweile diesen Ansatz. (…)

In der vierten Dimension geht es nun um das Erleben von Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit, beides stellvertretend für das Gefühl der Verbundenheit. Gesund wäre demnach, wer sich als kohärent und resonant mit der Welt, mit ihr auch im Inneren verbunden und stimmig fühlt.“

 

 

2. Die moderne Wissenschaft zeigt längst: Sinn ist kein Eso-Kram, sondern (über-)lebenswichtig!

Ich kann Menschen verstehen, die gerne Zahlen, Daten und Fakten sehen wollen – insbesondere dann, wenn es um scheinbar abstrakte Themen wie Sinn und spirituelle Gesundheit geht.

Das Schöne ist, dass wir diese (alten und neuen) Insights über den Zusammenhang von Gesundheit und Sinnerfahrungen jetzt auch durch moderne Forschung stützen können. Here we go.

Ein paar Beispiele aus der Wissenschaft:

  • Ein ausgeprägtes Gefühl für Sinn im Leben steht in Verbindung mit verbesserter Gesundheit und Verhaltensweisen, einschließlich erhöhter körperlicher Aktivität (Hooker & Masters, 2016), weniger Schlaganfällen (Kim et al., 2013), weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Cohen et al., 2016) und sogar einem geringerem Sterberisiko (Alimujiang et al., 2019).
  • Das Erleben von Sinn ist auch für eine gesunde psychische Funktionsfähigkeit, einschließlich des Gedächtnisses und allgemeiner kognitiver Fähigkeiten (Lewis et al., 2017), sowie für die psychische Widerstandsfähigkeit über die gesamte Lebensspanne (Feder et al., 2009) von entscheidender Bedeutung.
  • Auf der anderen Seite des Spektrums wird ein geringes Maß an Sinnerleben mit verschiedenen psychischen Störungen in Verbindung gebracht (Goodman et al., 2018).

 

3. Die Gen Z leidet unter einem besonderem Mangel an spiritueller Gesundheit – really?

Wenn, wie in der Studie geschehen, “spirituelle Gesundheit” beschrieben wird als “einen Sinn im Leben zu haben, ein Gefühl der Verbundenheit mit etwas, das größer ist als man selbst, und eine Idee von Sinn im Leben“, dann ist für mich völlig klar, dass die Gen Z sich weniger “spirituell gesund fühlt” als die anderen Generationen.

Wer wusste schon im Teenie-Alter, was ihm Sinn im Leben gibt oder wann und wie sie sich besonders zu etwas Größerem als ihr selbst verbunden fühlt? Ich bestimmt nicht. Ist nicht gerade diese Phase im Leben eine, in der Vieles (wenn nicht alles) infrage gestellt wird?

Fun Fact: schaut man genauer in die Daten, wird schnell klar, dass die drei Komponten mentale, soziale und spirituelle Gesundheit über die Bevölkerungsgruppen hinweg ansteigen. Will heißen: je älter, desto mehr weiß man, was einem Sinn im Leben gibt. Für mich recht logisch.

Dazu passt auch die neurowissenschaftliche Sicht auf drei Arten Glück, die üblicherweise mit den Lebensphasen einhergeht. Viele Menschen erleben erst mit dem Alter das, was als Glückseligkeit beschrieben wird und an Selbsttranszendenz grenzt. Mehr dazu in meinem Newsletter zum Thema Glück.

 

4. Arbeitgebende können Räume schaffen, um Sinn zu erleben – und das sollten sie auch tun!

Klar ist, dass Sinn nicht von außen verordnet kann. Das liegt auch daran, dass Sinn ein zutiefst individuelles Erleben ist.

Wenn es in der Studie nun heißt, “Soziale, öffentliche und private Stakeholder können Wege finden, um Menschen dabei zu helfen, einen Sinn und Raum zum Nachdenken über ihr Leben zu finden”, dann kann und muss ich das doppelt unterstreichen und mit Ausrufezeichen versehen.

Mehr denn je leiden heutzutage viele Menschen an einem Mangel an Sinn, wie es auch schon Viktor Frankl beschrieben hatte. Viele Klienten, mit denen ich arbeite, haben alle materiellen Bedürfnisse (über-)erfüllt und sagen mir ganz direkt “Ich fühle mich total leer, ich sehe in all dem keinen Sinn”.

Dass wir gesamtgesellschaftlich und gerade als Führungskräfte oder Arbeitgebende noch mehr Räume schaffen sollten, in denen Menschen dazu reflektieren und sich austauschen können, erscheint mir eine logische Folgerung.

Nicht umsonst habe ich dieses Jahr mit meinen zwei Co-Autoren ein Buch geschrieben, indem es darum geht, wie agile Führung nicht nur Methoden (agile doing), sondern vor allem die Entwicklung und Förderung eines wertebasierten Mindsets (agile being) umfasst. Es geht um mehr Sinnorientierung, auch und gerade in der Arbeitswelt. Wie das gelingen kann? Hier gibt’s mehr Details dazu.

 

 

Ein paar Take-Aways

Spirituelle Gesundheit verstanden als Sinn im Leben und Verbundenheit zu etwas größerem Ganzen ist ein altes Thema – und gewinnt jetzt wieder an neuer Bedeutung, gesellschaftlich und wissenschaftlich.

Unsere Gesundheit hat viele Facetten, die sich allesamt wechselseitig bedingen. Unser Wohlbefinden und unsere Resilienz sichern wir nachhaltig nur, wenn wir alle Aspekte berücksichtigen.

Möglicherweise gibt es Unterschiede zwischen Sinnerfahrungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Aber entlastend scheint auch zu sein, dass wir mit der Lebenserfahrung an Glückseligkeit und Sinnhaftigkeit im Leben gewinnen.

Why Online Events Suck – And Can Be Full of Magic

Have you ever been challenged to set up an online event? Here are eight learnings from my experience of organizing an online summer school for over 100 people from 27 countries

We’ve all experienced it: lengthy online events without a spark of inspiration, but strained eyes. Being connected by tech, but not by heart.

Actually, we all know it: online events suck. And in the near future, they will most probably not substitute offline meetings with personal connections.

How dare we reconsidered – and changed perspectives

Yet, there is a this small, almost tiny opportunity: if we dare to change perspectives and reconsider how values are brought into action, online events bare huge potential to be full of magic.

I’m only confident to say this because I experienced it myself in my role as Communications Manager at Mind & Life Europe. Challenged by the current Covid-19 situation, the team took the decision in late spring to move online with one of our most important events: our summer school usually taking place over one week time. With more than one hundred people. In an easy-going atmosphere. In summer at a beautiful lake. Connecting scientists, contemplatives and young scholars through talks and shared experiences. Now online?

‘Crazy sh*t!’ some would say, ‘challenge accepted’ we said.

To be honest, in the beginning, we had no clue how to transform our so called “European Summer Research Institute” (ESRI) into an online event: a  happening characterized by deep human connections (meeting in person), true insights through experiences (e.g. yoga and meditation) and informal breaks in-between (spaces to meet-like minded people in yet another setting).

Be picky. And connect before you connect.

To make a long story short: what follows are eight of my personal learnings from a five-day online event truly connecting people all over the world. From India to Chile, from Denmark to Australia and lots of countries in-between.

  1. An online event is triple the work – and triple the connection.

It’s a given fact: the more easy-going an online event looks like, the more work it is. And those who state that “online events are so easy to organize” have simply not had the chance to do so themselves. For moderation alone, one (even skilled and experienced) person is not enough. It might take up to three persons to take care of questions, timing, communication, etc. to make something a panel discussion look smooth. The good news is: by doing all this extra work, you will get closer to your team members. People will grow more and more into their roles. Communication will be easier because you know the people better. Work flows become smoother because you actually do speak and meet more often (online).

For us, this meant that we could rely on each other even more so. It felt like a soccer team that had practiced different moves over and over again – and once the game started, there simply was a flow.

During our last check-out after the event was over, one team member actually said:“This feels like a family” – although some of us have never met in person.

  1. Connect before you connect.

Invite participants of the event to connect with you beforehand, so they can get used to the virtual environment you have built. We all live in a digital age, but we are all different regarding our experience with and interest in new technologies. Offer attendees a “way-in” and take them by the hand for the first steps. They will be able to walk steadily once the actual event begins.

In our case, we invited participants to an ‘onboarding call’ four days before the summer school officially started. This allowed us to informally welcome them and take them on a virtual tour through the online environment we had created including Zoom, our event website and Slack. Nowadays, there are so many tools available that we can’t be experts in all of them. But all of us can learn and by showing and experiencing them first-hand (e.g. how to raise hands in Zoom or how to comment in Slack), participants felt confident in using them once the event had started.

  1. It takes a team.

If you want to organize an online event and still have a healthy back, a bit of sleep and a healthy mind at the end of it, please don’t start alone. That’s it.

We actually had a Planning Committee (six people), a Hosting Team (two people), and two staff members (including myself) dedicated to transform this challenge into magic. For us, it really helped to have clear responsibilities. Knowing who would reach out to speakers, who would take care of participants’ applications and who’s in for communications (just to name a few things) helped us get organized – and sometimes, these roles had to be refined as the event developed. During the event, daily check-ins in the morning and check-outs after the day had been closed helped to stay up-to-date and tweak things if needed. Moreover, these short meetings opened a space to check in on a personal level, thereby taking care of ourselves.

  1. Dare to be picky.

Be clear about whom you would like to attend your online event – be it speakers, participants or volunteers – and whether these people share your organizations’ values. Because after all, it’s the whole community that creates magic (or not) with their personalities, not the organizers themselves.

For our five-day event, people from all over the world had applied – and were committed to engage online. Attendees from Mexico would literally wake up in the middle of the night to participate in sessions scheduled in European times. Others from France and Italy endured hours of daily screen time despite more than 30°C in their personal spaces. Many participants took the time to share personal introduction videos in our ‘community’ Slack channel.

As organizers, we could open the spaces for all of that, but in the end, it was the dedicated community who filled it with inspiration, openness and curiosity.

  1. Use screen time wisely.

No matter how grateful we can be for our new technologies – at the end of the day, it’s mostly draining to use them. This makes the time actually spent in front of an online event even more precious – your time as well as the other attendees’. Reconsider what parts of the event really need to be live, e.g. open discussions or panels, and what parts could be pre-recorded or presented in a different way (e.g. articles or online forums).

Since our summer school consists of rather content-loaded parts, interactive panels and experiential parts, we decided to ask the speakers for pre-recordings of their talks. These were made available to the participants a few days before the start of the online event, so that it was up to them where, when and how to watch them. On the other hand, it was important to us that interactive sessions like panels and Q&A sessions were done in real-time, so that participants could be actively included. Also, it felt right to offer the experiential sessions like meditation, Qi Gong, and Yoga, as live sessions, so that all attendees got a sense of doing it together – believe it or not, many people did not even turn away from the screen once they started meditating with closed eyes. It seemed that they had been longing for and finding a community they truly wanted to share this experience with.

  1. Engage everyone.

One downside of online events is that active participation of attendees is a lot more difficult to achieve than during onsite events. Yet, it’s exactly those moments of interaction and active participation that can turn an exhausting online session into an exciting experience.

Over the course of our five-day event, we regularly included small exercises where all attendees were asked for their perspective. One way was to use modern tools such as interactive word clouds, that enable everyone to enter one word via a link which then builds up to a word cloud in real-time. It was a fun way to ask for perspectives, but also to make visible how each participant could influence the overall picture. Another way to engage attendees was to formulate a question about a current emotion or a symbol that matters to them in a given context and ask them to write or draw it on paper. Afterwards, participants were asked to hold their own sheet of paper into the camera. What resulted was a kaleidoscope of shared feelings. A plus for both of these exercises: the result can be easily kept through a screenshot and serves as a great memory and/or communication tool for the online event.

  1. There’s always time for a minute of silence.

While our event was characterized by the guidance of contemplatives, this learning appeals to all online events (and offline events, too, for that matter). As in the offline world, we can experience all sorts of reactions during and event. People get really tired or discussions heat up. Some are overwhelmed, while others are distracted.

In any case, one minute of silence can make all the difference: it allowed us regularly to calm down for a moment, take a deep breath, and set our focus anew. During our online event, we had the privilege of very experienced contemplatives with different backgrounds who guided us – sometimes with a poem or a few spoken words, sometimes with the sound of a bell only. Yet, every one of us can initiate a minute every now and then.

  1. Choose humor over annoyance.

We are all humans and we can all learn so much every day. Mistakes happen, smaller ones and bigger ones. While we can’t change that, we can change how we react to that. Choosing humor over annoyance can make a huge difference and loosen up the situation during an online event. Laughing about how all of us (including myself) are trying out and getting used to this new virtual environment also feels better than laughing at someone who didn’t manage to share his screen right away.

Being open to help from others (‘Nina, we only see a black screen, not a beautiful word cloud’) can transform a formal meeting into a joint act of co-creation.

While I must admit that lots of unexpected things happened, not all of them pleasant, I must also say that it was the patience, openness and support of participants that turned these into magical moments.

Taking the opportunity to transform ‘not having performed’ into ‘developing our way together’ left a feeling of connection that stuck with all of us.

I’m sure that there is so much more that can be learned from transforming offline events into deep online experiences – remembering that it can never substitute the depth of personal connection offsite.

Yet, my wish was to make a start and open a new perspective that allows online events turn into opportunities. And let magic emerge from there.

What have you learned so far?